Der Prophet Abraham wünschte sich sehnlichst ein Kind. Er flehte Gott an, ihm seinen Wunsch zu erfüllen, und versprach Ihm sogar, das Kind um Seinetwillen zu opfern. Daraufhin schenkte Gott ihm einen Sohn. Schon bald hatte Abraham das gegebene Versprechen vergessen. Doch eines Nachts erinnerte man ihn daran und forderte ihn dreimal dazu auf, seinen Sohn zu opfern. Also unternahm er mit seinem neun- oder zehnjährigen Sohn Ismail am nächsten Tag einen Ausflug. Auf Wunsch seines Vaters packte Ismail, bevor sie sich vom Zelt entfernten, Messer und Seil ein, um Holz vom Berg zu holen.
Sie gingen zu der Stelle, die Abraham im Traum gesehen hatte. Der Teufel aber versuchte, das Opfern Ismails zu verhindern, indem er zuerst Hadschar, der Frau Abrahams, und dann auch Ismail selbst verriet, was Abraham vorhatte. Damit versuchte der Teufel, sie zum Ungehorsam Gott gegenüber zu verleiten. Beide jedoch entgegneten, Gottes Wille solle geschehen.
Laut einer Überlieferung verfluchte Ismail den Teufel bei dieser Gelegenheit nicht nur, sondern bewarf ihn sogar mit Steinen. Hierin liegt der Ursprung für die Steinigung des Teufels während der Pilgerfahrt. Dort steinigen die Pilger den Teufel symbolisch, indem sie 70 bzw. 49 Steinchen auf drei Säulen werfen.
Nachdem sich der Teufel davon gemacht hatte, erreichten Abraham und Ismail den Gipfel des Berges Arafat. Abraham umarmte Ismail, streichelte ihn und sagte weinend: „O mein Sohn! Gott hat mir im Traum befohlen, dich zu töten und Ihm als Opfer darzubringen. Jetzt ist die Zeit gekommen, mein Versprechen einzulösen. Was sagst du dazu?“ Sein Sohn antwortete ihm gehorsam und treu: „O mein Vater! Tu, was Gott dir befohlen hat! Hoffentlich findest du mich bei den Geduldigen.“
Um Gottes Befehl nachzukommen, und weil sein Sohn selbst es so wünschte, fesselte Abraham Ismails Hände und Füße. Er legte ihn auf den Boden und verhüllte ihm auch das Gesicht. Dann schaute er zum Himmel empor und sagte: „O Gott! Nun führe ich deinen Befehl aus!“ Mit aller Kraft bemühte er sich, Ismails Hals zu durchtrennen.
Als Abraham aber sah, dass nicht einmal eine Strieme zu sehen war und sich der Kopf nicht vom Körper trennen wollte, war er überrascht. Er befürchtete, den Befehl durch sein Mitgefühl nicht energisch genug ausgeführt zu haben, und wiederholte die Prozedur. Erneut aber hinterließen seine Schnitte keine Spuren.
Nun wurde Abraham sehr wütend und warf das Messer mit solcher Wucht auf einen Felsen, dass dieser entzweibrach. Er versuchte es noch einmal, aber wieder schnitt das Messer nicht. Daraufhin fragte ihn der Sohn, worauf er warte und warum er seine Pflicht nicht erfülle.
Als er ein letztes Mal versuchte, den Hals seines Sohnes zu durchtrennen, hörte er plötzlich vom Himmel herab eine Stimme: „Gott ist groß, Gott ist groß!“ Er schaute nach oben und sah den Engel Gabriel, der einen Schafbock an den Hörnern hielt und zur Erde brachte, wobei er immer wieder „ Gott ist groß, Gott ist groß!“ ausrief. Darauf antwortete ihm Abraham: „Es gibt keine Gottheit außer Gott, Gott ist groß!“
Ismail, der nicht wusste, welchen Ursprung und welchen Grund die Stimmen hatten, hob seinen Kopf und war über den Anblick, der sich ihm bot, sehr erstaunt. Auch er rief nun aus: „ Gott ist groß, Dank sei Gott!“
Danach sprach Gabriel: „O Abraham! Beeile dich nicht, halte inne! Gott, der Erhabene, hat deine Bereitschaft zur Erfüllung Seines Befehls aus deinem Traum und deine Treue zu Ihm angenommen und diesen Schafbock herabgesandt. Lass also von Ismail ab, und opfere stattdessen den Schafbock!“
Voller Dankbarkeit warf sich Abraham nieder und lobte Gott. Er löste die Fesseln um die Hände und Füße Ismails und hielt den von Gabriel herbei gebrachten Schafbock fest. In diesem Moment vergoss Ismail, dieses Vorbild an Treue, Freudentränen.
Inzwischen war das Tier den Händen Abrahams entwischt. Vater und Sohn liefen ihm nach, um es einzufangen, was ihnen in Mina schließlich auch gelang. Dort schlachteten sie den Schafbock zum Wohlgefallen Gottes.
Der Ursprung des Schlachtens von Opfertieren (Kamelen, Rindern, Schafen, Ziegen) in Mina liegt also in der Sunna (im Handeln) Abrahams begründet. Hiermit greift der Islam eine Tradition des Alten Testaments auf und führt sie weiter.
(Vgl. auch Sure 37)
Muhammet Mertek