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Wozu brauchen wir Selbstbewusstsein und Reflexion?

Muhammet Mertek von Muhammet Mertek
31. Januar 2025
Wozu brauchen wir Selbstbewusstsein und Reflexion?
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Der renommierte Philosoph Prof. Dr. Udo Thiel widmet sich in seinem Buch Selbstbewusstsein und Reflexion – Studien zur Philosophie des Geistes von Locke bis Kant (De Gruyter, 2024) umfassend den zentralen Themen des Geistes wie Selbstbewusstsein, Reflexion, Selbstgefühl, innerer Sinn und Identität.

In 17 Studien analysiert Thiel die unterschiedlichen philosophischen Positionen und Argumente zu diesen Kernbereichen der Geistesphilosophie des späten 17. und 18. Jahrhunderts. Besonders hervorzuheben ist, dass die Debatte über das Selbstbewusstsein gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den transzendentalphilosophischen Konzeptionen von Kant und Fichte ihren Höhepunkt fand. Insbesondere für Fichte stellt das Selbstbewusstsein das höchste Prinzip der Philosophie dar.

Beim Lesen des Buches wurde mir bewusst, warum normative Regeln und Werte oft nicht konsequent in die Praxis umgesetzt werden. In einer Zeit, in der die Digitalisierung rasant voranschreitet und Reflexionsprozesse, insbesondere bei Jugendlichen, nicht mehr selbstverständlich sind, erscheinen Thiels Überlegungen relevanter denn je – sowohl aus geistiger, psychologischer als auch pädagogischer Perspektive.

Die zentralen philosophischen Konzepte

Thiel untersucht das Bewusstsein und Selbstbewusstsein in all ihren Facetten und stützt sich dabei auf wegweisende Philosophen, die diese Begriffe geprägt haben. Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden diese Themen kaum systematisch behandelt.

Ein besonders interessantes Beispiel ist Ernst Platners Philosophische Aphorismen, in denen er vier Arten des Bewusstseins unterscheidet, die alle einen Selbstbezug aufweisen:

  1. Das Bewusstsein von Vorstellungen: das „Ich denke“
  2. Das Bewusstsein der Existenz: das „Ich bin“
  3. Das Bewusstsein der Persönlichkeit
  4. Das Bewusstsein als Selbstgefühl oder „Gefühl Ich“

Johann Georg Feder erweitert diesen Ansatz, indem er sich mit inneren Empfindungen und ihren kognitiven Fähigkeiten beschäftigt. Neben dem Selbstgefühl nennt er das „Gefühl des Wahren, des Schönen und des Moralisch-Guten“ (Logik und Metaphysik, 1769). Hierbei verbindet er diese drei Konzepte mit Symmetrie, Proportion und Harmonie und hebt hervor, dass sie nicht als rein physische Ideen, sondern als innere Empfindungen betrachtet werden sollten. Feder unterscheidet dabei den inneren Sinn (und damit das Selbstgefühl) sowohl von den äußeren Sinnen als auch vom Verstand. Das Reflexionsvermögen sieht er als Fähigkeit des Unterscheidens und Vergleichens. Zudem argumentiert Feder, dass das Bewusstsein der Grund dafür sei, dass wir uns überhaupt eine Seele zurechnen. „Eine Seele schreiben wir uns zu, weil wir uns bewusst sind, Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken und Begierden zu haben.“

Christian Wolff knüpft daran an und betont, dass Bewusstsein Reflexionsfähigkeit erfordert. Diese bezeichnet er als die Handlung des „Überdenkens“ oder Vergleichens: „Nur wenn wir vergleichen, können wir unterscheiden.“

Das Wahre, das Gute und das Schöne als Endzwecke des Menschen

Friedrich Riedel beschreibt drei zentrale innere Empfindungen als Endzwecke des Menschen: das Wahre, das Gute und das Schöne. Ihm zufolge sind diese Begriffe Ausdruck geistiger Vollkommenheit. Jeder Mensch besitze eine besondere Grundkraft für diese drei Bereiche:

  • Für das Wahre: den sensus communis,
  • Für das Gute: das Gewissen,
  • Für das Schöne: den Geschmack (im ästhetischen Sinne).

Ein Künstler malt z.B. ein Gemälde, das die Zerstörung des Krieges darstellt. Betrachten wir nun diese drei Bereiche anhand dieses Gemäldes:

  1. Das Wahre
    Der Künstler komponiert sein Werk auf der Grundlage historischer und gesellschaftlicher Fakten, um die wahre Natur des Krieges darzustellen. Hier kommt der gesunde Menschenverstand ins Spiel, denn der Künstler muss die zerstörerischen Auswirkungen des Krieges korrekt wiedergeben.
  2. Das Gute
    Was den Künstler dazu bewegt, dieses Bild zu schaffen, ist sein Gewissen. Er empfindet eine moralische Sensibilität gegenüber dem Übel des Krieges und möchte die Menschen dafür sensibilisieren. Seine innere Intuition über das Gute (sein Gewissen) treibt ihn dazu, dieses Gemälde zu malen.
  3. Das Schöne
    Der Künstler gestaltet das Bild nicht nur als Protestmittel, sondern auch als ästhetisch beeindruckendes Kunstwerk. Farben, Komposition sowie Licht- und Schattenspiele werden so arrangiert, dass sie eine starke emotionale und visuelle Wirkung erzeugen. Hier kommt also das ästhetische Empfinden ins Spiel.

Letztendlich spricht dieses Gemälde die Vernunft und den gesunden Menschenverstand an, weil es die Wahrheit widerspiegelt; es appelliert an die Ethik und das Gewissen, weil es das Gute verteidigt; und es berührt das ästhetische Empfinden, weil es künstlerisch und ästhetisch ansprechend gestaltet ist.

Diese drei Grundkräfte bilden eine Einheit, denn sie alle „sind Äste der Empfindung“. Riedel geht noch weiter und postuliert, dass auf diesen Empfindungen die gesamte Philosophie aufbaue: „Das höchste Prinzip der Philosophie ist die Empfindung. Diese teilt sich in drei Arme: die Philosophie des Geistes (das Wahre), des Herzens (das Gute) und des Geschmacks (das Schöne).“

Bewusstsein, Sprache und Identität

Bewusstsein und Selbstbewusstsein setzen geistige Aktivität voraus. Karl Franz von Irwing greift in diesem Zusammenhang auf Leibniz‘ Begriff der „Apperzeption“ zurück, die man als die klare und bewusste Aufnahme des jeweiligen Inhaltes eines Erlebnisses, einer Wahrnehmung oder eines Denkens definieren kann.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Sprache. Irwing betont, dass die Sprachfähigkeit grundlegend für die Begriffsbildung und damit für ein reflektiertes Selbstbewusstsein ist. Jakob Mauvillon unterstreicht diese Bedeutung ebenfalls: Dank ihrer Sprachfähigkeit seien Menschen in der Lage, „jede Idee von sich selbst zu bestimmen und von anderen abzugrenzen“. Die Sprache ermögliche es, Eigenschaften wahrzunehmen, zu bestimmen, zu ordnen und zu vergleichen. Dies sei nicht nur für äußere Gegenstände relevant, sondern auch für innere Empfindungen. Erst durch sprachliche Reflexion könnten wir innere Zustände bewusst erfassen.

Udo Thiel erläutert besonders detailliert John Lockes Sichtweise zur Beziehung zwischen Identität und Bewusstsein. Nach Locke wird persönliche Identität durch das Bewusstsein bestimmt: „Die Identität der Person besteht nur vermittels der Konstitution durch Bewusstsein.“ Während der Mensch metaphysisch bestimmt wird, geht es bei der Person um moralische Verantwortung und Handlungszuschreibung.

Ein interessanter Aspekt ist Thomas Coopers Auseinandersetzung mit der jenseitigen Dimension der Person. Er argumentiert, dass ein Mensch zwar nicht in einem strengen Sinne von einem Tag zum anderen identisch bleibt, jedoch seine Existenz von der vorherigen abhängig ist. Diese Abhängigkeitsrelation erstrecke sich auch auf das Leben nach dem Tod: „Obwohl wir im zukünftigen Leben nicht dieselben Personen sein werden, wird unsere zukünftige Existenz doch von unserer gegenwärtigen abhängen.“ Dies motiviere den Menschen, im Hier und Jetzt moralisch zu handeln.

Gottfried Leibniz unterscheidet zwischen metaphysischer Identität des Ichs und moralischer Identität der Person, wobei Letztere durch Bewusstsein konstruiert wird. Er widerspricht Locke und argumentiert, dass das Bewusstsein vergangener Handlungen lediglich eine scheinbare Identität erzeuge.

Fazit

Udo Thiel hat sich mit einem äußerst anspruchsvollen Thema auseinandergesetzt und die Beiträge zahlreicher Philosophen in einem fundierten Überblick zusammengefasst. Sein Buch bietet wertvolle Einsichten für die geisteswissenschaftliche Forschung, aber auch für gegenwärtige gesellschaftliche Fragestellungen. Gerade angesichts der Herausforderungen, die Jugendliche heute im Hinblick auf Selbstbewusstsein und Reflexion haben, könnte Thiels Werk eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien sein.

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