Die Teilnahme von muslimischen Schülern am Schwimmunterricht ist ein Thema des Schulalltags. Obwohl es sich meistens um Einzelfälle handelt, kommt es im Schwimmunterricht oft zu Konfrontationen zwischen Schule und Elternhaus. Darunter leiden die betroffenen Schüler selbst, aber auch das schulische Miteinander.
Im Schwimmunterricht geht es nicht nur um die Bekleidung der muslimischen Schülerinnen, sondern generell auch um das Fasten. Nun ist wieder die Zeit des Ramadans, und bei einigen wenigen Schülern wird das immer gleiche Argument vorgebracht: „Wir dürfen aus religiösen Gründen nicht schwimmen.“
Die Formulierung „aus religiösen Gründen“ stört mich auch. Denn sie hört sich sehr schwammig an. Und sie zeigt, dass diese muslimischen Schüler nicht differenziert über islamische Regeln nachdenken und glauben, sich mit diesen drei Wörtern hinreichend rechtfertigen zu können.
Aus diesem Anlass möchte ich hier einige Anregungen für muslimische Eltern und Schulen geben.
Rechtslage
Bezüglich der Kleidungsfrage im Schwimmunterricht ist vom Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2013 entschieden worden, dass es im Regelfall keinen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung gibt. Eine Unterrichtsbefreiung kann nur ausnahmsweise verlangt werden. Für eine regelmäßige Befreiung müssen die Eltern nachweisen, dass den religiösen Belangen des Betroffenen „eine besonders gravierende Beeinträchtigung droht und der schulische Wirkungsauftrag im Vergleich hierzu lediglich nachrangig berührt wird“.
Dem Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zufolge ist sogar die soziale Integration manchmal wichtiger als die Religionsfreiheit. Er hat entschieden, dass muslimische Schüler am Schwimmunterricht teilnehmen müssen.
Die Teilnahmepflicht am Schwimmunterricht wird aber im Bildungsportal NRW noch deutlicher definiert:
„Seit einigen Jahren gibt es als taugliche Bade- und Schwimmbekleidung für muslimische Mädchen und Frauen etwa einen Badeanzug mit hoch geschlossenem Kragen und festsitzender Kopfbedeckung (sog. Burkini). Das OVG (Oberverwaltungsgericht Münster) sieht im Tragen derartiger Schwimmbekleidung eine diskriminierungsfreie Ausweichmöglichkeit, die geeignet ist, einen im Einzelfall auftretenden Glaubenskonflikt ohne Trennung der Geschlechter und ohne Befreiung von der Unterrichtsteilnahme zu bewältigen. (…) Zudem hält es das Gericht für zulässig, dass Eltern beim Aufnahmegespräch in der Schule eine Erklärung unterschreiben, wonach sie mit der Teilnahme ihrer Tochter am Schwimmunterricht – evtl. mit einer entsprechenden Schwimmbekleidung – einverstanden sind. Durch eine solche Erklärung dürfen sich die Schule und die Eltern auf gemeinsame Erziehungsziele und -grundsätze sowie wechselseitige Rechte und Pflichten in Erziehungsfragen festlegen.“
Ich finde, diese Erklärung ist ein guter Kompromiss und sollte das Problem im Interesse aller lösen können. Am Rande der öffentlichen Diskussion sollte man übrigens zudem noch wissen, dass laut einer Befragung aus dem Jahr 2008 nur eine kleine Minderheit (etwa zwei oder drei Prozent) der Mädchen aus religiösen Gründen nicht gemeinsam mit Jungen schwimmen lernen wollten.
Fasten im Sport- und Schwimmunterricht
Nun können wir auf die Fastenfrage im Schwimmunterricht eingehen. Das Fasten in der Schule generell zu verbieten, wäre keine richtige Entscheidung. Mit religiösen Überzeugungen sollte man allgemein achtsam umgehen. Verbote rufen oft eine radikalisierende Gegenreaktion hervor.
Eine vermittelnde Position kann die Schule durch Aufklärung einnehmen. Die religiösen Pflichten im Islam gelten generell ab der Pubertät. Das Fasten im islamischen Monat Ramadan gehört auch dazu. Diese religiösen Pflichten vertragen sich unter Umständen schwer mit den schulischen Anforderungen und es kommt dann zu einer Konfrontation zwischen Schule und Elternhaus.
Zunächst einmal sollen die muslimischen Eltern wissen, dass die Kinder vom Fasten befreit sind. Fasten kann man nur, wenn die Voraussetzungen wie Pubertät, Gesundheit, Arbeitsbedingungen etc. bestehen. Laut einem Diyanet-Fatwa (Amt für die religiösen Angelegenheiten in der Türkei) darf man auch während des Fastens schwimmen, wobei man dafür sorgen muss, dass man kein Wasser schluckt.
Außerdem haben schulische Leistung und Gesundheit Vorrang vor dem Gebet, das man ab der Pubertät verrichten soll und aber auch nachholen kann. Genauso verhält es sich beim Fasten. Wenn ein Schüler im ganzen Ramadan an den Tagen, an denen er Sport- oder Schwimmunterricht hat, nicht fastet, handelt es sich um 4 Tage. Diese versäumten Fastentage kann er später nachholen.
Deutschland ist ein demokratisch-freiheitlicher Rechtsstaat. Das heißt aber nicht, dass man alles „aus religiösen Gründen“ für sich beanspruchen könnte. Wenn man sein Muslimsein in jeder Hinsicht kultursensibel präsentiert, kann man solche Probleme leichter lösen. Das Fasten darf also nicht als eine Art Verweigerung der Teilnahme am Schwimmunterricht oder als Freifahrtschein, um schulische Pflichten zu entgehen, wahrgenommen werden.
Schule und Fasten können gleichzeitig gut funktionieren, wenn die muslimischen Eltern auf die Rechtslage des Schwimmunterrichts achten und die Schule dementsprechend eine akzeptierende Grundhaltung gegenüber dem Fastenbrauch einnimmt.
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