Idschtihad bezeichnet im Kontext des Fiqh das Bemühen um die Bildung eines selbstständigen Urteils in einer Rechtsfrage bzw. die Entfaltung selbstständiger rechtlicher Erwägungen in Fällen, in denen keine eindeutigen Quellentexte zur Verfügung stehen. Der Begriff hat verschiedene Bedeutungen: 1) angemessene Entscheidung 2) besser geeignete selbstständige Interpretation der Schriftquellen 3) Urteilsbildung, Anstrengung 4) sich bemühen, sich anstrengen.
Unter Idschtihad versteht man das eigenständige Bemühen eines Rechtsgelehrten um eine Lösung vor allem neu auftretender Rechtsfragen mit Hilfe der islamischen Quellen. Dieses Bemühen des Rechtsgelehrten, das auf seiner Fachkompetenz und seiner Glaubwürdigkeit beruht, bildet dann die Legitimationsgrundlage bestimmter Handlungen. Zum Idschtihad gehört aber auch, dass Muslime in Fragen, die im Offenbarungswerk nicht explizit beantwortet sind, durch eigenes Nachdenken annehmbare Antworten finden.
Die Regeln des islamischen Rechts in Bezug auf die Gesamtheit der Glaubenssätze und den rituellen Gottesdienst sind im Wesentlichen ein für allemal festgelegt und bestimmt. Im Bereich der sozialen Angelegenheiten (Mu’âmelat) hingegen müssen permanent Anpassungen vorgenommen werden, um „islamische Antworten“ auf neue Probleme (hinsichtlich Gesellschaft, Gesetzgebung, Steuern, Ökonomie, Heirat, Ernährung, Technologie, Ökologie, Tierschutz, Medizin usw.) geben zu können. Man berücksichtigt dabei drei wesentlichen Punkte: Maslaha (Gemeinwohl), Hadscha (Bedürfnis) und Dharura (das unerlässlich Notwendige).
Quelle: Mertek, Muhammet (2012), Der Islam: Glaube, Leben, Geschichte, INID/Hamm.