Handlungen werden ihren Absichten entsprechend beurteilt. Jeder erhält den Lohn für das, was er zu tun beabsichtigt. Wenn also jemand für Gott und Seinen Gesandten auswandert, ist er für Gott und Seinen Gesandten ausgewandert; und wenn jemand auswandert, um ein weltliches Ziel zu erreichen oder um eine Frau zu heiraten, dann wandert er um dieser Intention willen aus.
(Bukhari, Bad’al-Wahy, 1; Muslim, Imara, 155; Abu Dawud, Talaq, 11)
Dieser Hadith ist ein Eckpfeiler des islamischen Rechts und der oberste Standard bei der Beurteilung der Handlungen eines Gläubigen. Er bezieht sich auf einen Gefährten, der auswanderte, um eine Frau namens Umm Qais zu heiraten.
Die Absicht ist der Geist der Handlungen eines Menschen, und ohne sie wird keine einzige Tat belohnt. Wenn ein Mensch die fünf täglichen Pflichtgebete ohne feste Absicht verrichtet, oder wenn jemand während des Monats Ramadan fastet, ohne die Absicht zu fassen, das vorgeschriebene Fasten auch tatsächlich zu verrichten, oder wenn jemand sein ganzes Geld den Armen gibt, ohne dabei zu beabsichtigen, die vorgeschriebene Sozialabgabe zu zahlen, dann gilt er nicht als jemand, der die vorgeschriebenen Pflichten des Gebets, des Fastens bzw. der Sozialabgabe erfüllt hat. Wenn er diesen Pflichten nicht nachkommt, um Gott zu dienen und Sein Wohlwollen zu erlangen, dann wird er keinerlei Lohn empfangen und nicht die Akzeptanz Gottes finden.
Die Hidschra, die heilige Auswanderung auf dem Wege Gottes, ist in gewisser Hinsicht die Zwillingsschwester des Dschihads, des heiligen Bemühens für die Sache Gottes. Obwohl es nach der Eroberung Mekkas keine Hidschra von Mekka nach Medina mehr gegeben hat, wird die Hidschra an andere Orte doch bis zum letzten Tag neben dem Dschihad fortbestehen. So können Gläubige z.B. in ein anderes Land auswandern, um ihre Pflichten fortzuführen und den Islam zu repräsentieren, so wie es der Gesandte Gottes und seine Gefährten in der Frühzeit des Islam getan haben. Als es jenen nicht mehr möglich war, dies in ihrer Heimatstadt tun, emigrierten sie nach Medina. Auswanderungen wie diese werden als Hidschra akzeptiert, wenn sie ausschließlich um der Sache Gottes willen unternommen werden.
Auch Absichten ohne dazu gehörige Handlung können im Ausnahmefall belohnt werden. Wenn zum Beispiel ein gläubiger Mensch die aufrichtige Absicht hat, etwas Gutes zu tun, dies aber aus irgendwelchen berechtigten Gründen nicht tun kann, dann wird er auch für die Handlung, die er eigentlich ausführen wollte, belohnt.
Die Absicht macht unsere Handlungen um ein Vielfaches wertvoller. Sie verwandelt jede Tat eines Gläubigen in eine Art Gottesanbetung. Es ist uns nicht möglich, in dem kurzen Leben hier auf Erden einen Anspruch auf ewiges Glück zu erwerben. Wenn ein gläubiger Mensch jedoch die Absicht fasst, Gott so anzubeten, als würde er bis in alle Ewigkeit leben, dann ist er des ewigen Lebens im Paradies würdig. Im Gegenzug verdient ein hartnäckiger Ungläubiger, dessen Herz sich dem Glauben völlig verschließt, aus dem gleichen Grunde die ewige Strafe des Höllenfeuers. Ein gläubiger Mensch, der nach dem Nachtgebet mit der Absicht ins Bett geht, vor dem Morgengrauen aufzustehen, um das Tahadschud-Gebet (Gebet im späteren Teil der tiefen Nacht) zu verrichten, wird so beurteilt, als habe er während der ganzen Nacht zu Gott gebetet. Aus den hier genannten Gründen erklärte der Gesandte Gottes:
Die Absicht trägt dem Gläubigen mehr Lohn ein als seine Handlung. (Madschma‘ az-Zawa’id, 1.61, 109)