Im Arabischen bezeichnet das Wort Ilah denjenigen, der verehrt wird; d.h., ein Wesen, das auf Grund seiner Größe und Macht als der Verehrung würdig empfunden wird, ein Wesen, vor dem man sich bescheiden und unterwürfig verbeugt. Das Konzept Ilah schließt auch den Besitz uneingeschränkter Macht mit ein. Es impliziert, dass andere von diesem Wesen abhängig sind, während es selbst auf niemanden angewiesen ist. Auch die Bedeutungen Geheimhaltung und Geheimnis schwingen in dem Wort Ilah mit. Die Wörter Khuda im Persischen, Deva in Hindi und God im Englischen tragen ähnliche Konnotationen. Aber auch in anderen Sprachen finden sich entsprechende Wörter.
Auf der anderen Seite ist Allah, was wir im Deutschen mit Gott zu übersetzen pflegen, der essenzielle persönliche Name Gottes. La Ilah illa’llah heißt wörtlich: „Es gibt keinen anderen Ilah als das Eine Wesen, das unter dem Namen Allah bekannt ist.“ Kein anderes Geschöpf im Universum außer Allah verdient es, dass wir es anbeten, verehren und uns unterwürfig vor ihm verbeugen. Er ist der Einzige, dem alle Macht gehört, Dessen Gnade wir bedürfen und den wir um Unterstützung bitten müssen. Er ist vor unseren Sinnen verborgen, und unser Verstand kann nicht begreifen, was Er darstellt.
Der Eine Wahre Gott steht im Zentrum des einzigartigen islamischen Gotteskonzepts. Für einen Muslim ist Gott der Allmächtige Schöpfer und Versorger des Universums, dem niemand ähnelt und dem nichts ebenbürtig ist. Als der Prophet von seinen Zeitgenossen nach Gott gefragt wurde, offenbarte Dieser die Sure Al-Ikhlas, die als Essenz der Einheit oder auch als Formel des Monotheismus gilt:
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen! Sprich: „Er ist Gott, ein Einziger, Gott, der Absolute (Ewige, Unabhängige, von dem alles abhängt). Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt worden, und Ihm ebenbürtig ist keiner.“ (112:1-4)
Der Schöpfer muss von anderer Natur sein als die erschaffenen Dinge, denn sonst wäre Er vergänglich und würde Seinerseits einen Schöpfer benötigen. Daraus folgt, dass nichts ist wie Er. Wenn der Schöpfer unvergänglich ist, muss Er ewig sein. Wenn Er aber ewig ist, kann Er nicht ins Leben gerufen worden sein. Wenn nichts, was außerhalb von Ihm steht, Ihn weiter existieren lässt, genügt Er Sich Selbst und erhält Sich Selbst am Leben. Wenn er aber zur Verlängerung Seiner Existenz auf nichts und niemanden angewiesen ist, kann Seine Existenz kein Ende haben. Daher ist der Schöpfer beständig und ewig: Er ist der Erste und der Letzte.
Er genügt Sich Selbst und hält Sich Selbst am Leben; Er ist, um zwei im Koran verwendete Begriffe anzuführen, As-Samad und Al-Qayyum. Der Schöpfer erschafft nicht nur in dem Sinne, dass Er Dinge hervorbringt, sondern Er erhält sie auch, nimmt ihnen die Existenz und ist das letzte Ziel all dessen, was geschieht.
Von Ali ibn Abi Talib (600-661; Schwiegersohn des Propheten Muhammad, vierter Kalif; Regierungszeit 656-661) wird folgende Aussage überliefert:
„Er existiert, aber nicht durch das Phänomen des Ins-Leben-Tretens. Er existiert, aber nicht aus der Nicht-Existenz heraus. Er ist allem nahe, aber nicht durch physische Nähe. Er unterscheidet Sich von allem, aber nicht durch eine Form physischer Trennung. Er handelt, ohne aber dabei auf Bewegungen und Werkzeuge zurückzugreifen. Er ist schon allein dadurch der Eine, dass es niemanden gibt, dessen Gesellschaft Er sucht oder dessen Abwesenheit Er vermisst.“
Der Islam lehnt die Darstellung Gottes unter Verwendung menschlicher Muster ab und verwehrt sich auch gegen jede Behauptung, Gott würde bestimmte Menschen oder Völker in Bezug auf Wohlstand, Macht oder Rasse begünstigen. Er hat die Menschen gleichrangig erschaffen. Nur durch Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit unterscheiden sie sich voneinander und gewinnen Seine Gunst.
Tawhid bedeutet wörtlich Vereinigung (vieler Dinge zu einem Ganzen) oder Bekräftigung der Einmaligkeit. Der Begriff leitet sich aus dem arabischen Verb wahhada (vereinigen, vereinen, zusammenschließen) ab. In Bezug auf Gott drückt er die Umsetzung und Bewahrung der Einheit Gottes in all unseren Handlungen aus, die direkt oder indirekt mit Ihm in Verbindung stehen. Der Tawhid ist der Glaube an die Tatsache, das Gott der Eine ist – ohne Seinesgleichen in Seinem Einflussbereich und in Seinen Handlungen, ohne Ebenbild in Seiner Essenz und in Seinen Attributen, ohne Rivalen in Seiner Göttlichkeit und in Seiner Anbetung. Diesen drei Sphären werden in der Regel drei Kategorien zugeordnet:
- Tawhid ar-Rububiya (Bewahrung der Einheit der Herrschaft)
- Tawhid al-Asma‘ wa-s-Sifat (Bewahrung der Einheit der Namen und Attribute)
- Tawhid al-Ibada (Bewahrung der Einheit der Anbetung Gottes)
Der Tawhid ar-Rububiya basiert auf dem elementaren Konzept, dass Gott allein zu einer Zeit, in der nichts existierte, alle Dinge hervorgebracht hat. Er hält die Schöpfung in Gang, ohne in irgendeiner Form auf sie angewiesen zu sein, und Er ist der alleinige Herrscher über das Universum und seine Bewohner, ohne dass es irgendjemanden gäbe, der Seine Herrschaft herausfordern könnte. Im Arabischen wird diese Qualität als Rububiya bezeichnet (aus der Wurzel Rabb – Herr). Dieser Kategorie entspricht die These, dass Gott, der die einzige wahre Kraft darstellt, allen Dingen die Fähigkeit, sich zu bewegen und zu verändern, verliehen hat. Nichts geschieht in der Schöpfung ohne Seine Erlaubnis. Diese Wahrheit bekräftigend rief der Prophet Muhammad oft aus: La Hawla wa la Quwwata illa bi’llah (Es gibt keine Kraft und keine Stärke außer bei Gott!).
Der Tawhid al-Asma‘ wa-s-Sifat verfügt über vier Aspekte: Um die Einheit der Namen und Attribute aufrechtzuerhalten, darf Gott Aspekt eins zufolge ausschließlich so angesprochen werden, wie Er Selbst Sich genannt hat und wie Seine Propheten Ihn angerufen haben. Der zweite Aspekt stellt jene Art der Hinwendung zu Gott dar, die auch Gott Selbst für Sich gewählt hat, d.h., eine Hinwendung, die darauf verzichtet, Ihm irgendwelche zusätzliche Namen oder Attribute zu verleihen. Der dritte Aspekt ist das Herantreten an Gott, ohne Ihm die Attribute Seiner Schöpfung zuzusprechen. Zum Beispiel wäre die Aussage, Gott würde rasten oder schlafen, schlichtweg falsch, denn ihr zufolge besäße Gott ja dann einige Attribute Seiner Schöpfung. Auch darf man sich nicht vorstellen, Er würde ‚böse Gedanken bereuen‘, denn so verhalten sich nur Menschen, die Fehler eingesehen haben. Die Attribute Hören und Sehen sind zwar ebenfalls dem Menschen zuzuordnen. Wenn sie jedoch Gott zugeschrieben werden, besitzen sie eine absolut unvergleichliche Vollkommenheit. Mit anderen Worten: Gott braucht keine Augen und Ohren, um diese Attribute zu besitzen. Der vierte Aspekt verlangt, dass keinem Menschen die Attribute Gottes in ihrer ganzen Vollkommenheit zugesprochen werden.
Trotz der weit reichenden Konsequenzen der ersten beiden Kategorien reicht der feste Glaube an sie nicht aus, um die Bedingungen des Islam für den Tawhid zu erfüllen. Der Tawhid ar-Rububiya und der Tawhid al-Asma‘ wa-s-Sifat müssen vom Tawhid al-Ibada abgerundet werden. Erst dann kann der Tawhid im Sinne des Islams als vollständig betrachtet werden. Dem Tawhid al-Ibada gemäß dürfen alle Formen der Anbetung nur auf Gott ausgerichtet sein. Er allein ist der Anbetung wert, Er allein kann den erschaffenen Geschöpfen versprechen, dass sie vom Gebet zu Ihm profitieren werden. Darüber hinaus besteht kein Bedarf nach einem Vermittler zwischen Gott und der Menschheit. Gott unterstreicht die Bedeutsamkeit der direkten Anbetung, indem er aufzeigt, dass sie der Hauptzweck der Erschaffung von Menschen und die Essenz der von allen Propheten überbrachten Botschaften ist.
Konsequenterweise ist die schwerste Sünde der Schirk, die Anbetung anderer Wesen an Stelle Gottes bzw. neben Gott. Vers 5 der Sure Al-Fatiha, die jeder Muslim in seinen Gebeten mindestens 17-mal am Tag rezitieren soll, lautet:
Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe. (1:4)
Hier wird mit allem Nachdruck unterstrichen, dass alle Formen der Anbetung ausschließlich an den Einen zu richten sind, der sie auch beantworten kann, nämlich an Gott.